Auch Pierre-Gabriel Buffardin, der Soloflötist der Dresdner Hofkapelle, hat in Leipzig gastiert. Es liegt nahe anzunehmen, dass Bach für diesen Auftritt die Ouvertüre h-Moll komponiert hat, seine so genannte „zweite Orchestersuite“. Ob man es hier tatsächlich mit einem Orchesterstück zu tun hat oder ob die Streicher mit Rücksicht auf die sanfte Traversflöte eher solistisch zu besetzen sind, steht dahin. In jedem Fall handelt es sich um die französischste der „Orchestersuiten“ Bachs.
Für keine dieser vier Suiten reichen die erhaltenen Quellen vor das Jahr 1725 zurück. Dennoch kann man in fast jedem Konzertführer heute lesen, dass sie in Bachs Köthener Zeit zwischen 1717 und 1723 entstanden seien. Für die vierte Orchestersuite in ihrer verschollenen Urfassung ohne Trompeten lässt sich dies noch einigermaßen verlässlich annehmen, vielleicht auch für die erste, obwohl sich Bach erst Anfang 1725 in Leipzig ein Orchestermaterial dafür anfertigen ließ. Sicher erst um 1730 ist die dritte Orchestersuite mit dem berühmten „Air“ entstanden, um 1738 die h-Moll-Suite für Flöte und Streicher. In diesen beiden Werken ist der Einfluss der galanten Dresdner Hofmusik so deutlich, dass sie auf keinen Fall schon in Köthen komponiert worden sein können. Gewisse Details der h-Moll-Suite wie der strenge Quintkanon in der Sarabande weisen sogar auf Bachs späten Stil voraus. Es gibt also keinen Grund anzunehmen, dass diese Suite wesentlich vor 1738 komponiert wurde, als Bach ihr Aufführungsmaterial anfertigte.
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Das Oertelsche Haus mit dem Zimmermannschen Kaffeehaus, aus einem Kupferstich von Johann George Schreiber (1732) [Quelle] |
Bach benutzte hier einen besonderen Typus der Orchestersuite: die Ouvertüre mit konzertierendem Soloinstrument. In Telemanns a-Moll-Suite für Blockflöte und Streicher fand er ein frühes Musterbeispiel für diesen Typus vor, in der g-Moll-Ouvertüre seines Vetters Johann Bernhard Bach ein Beispiel für Solovioline und Streicher. Die dort vorgefunden Prinzipien des Konzertierens übertrug Bach nun auf die modische Traversflöte.
Auf den Franzosen Buffardin als Solisten deutet der Stil der Suite hin: Keine andere Orchestersuite Bachs beginnt so demonstrativ „à la française“, und zwar nicht nur mit der üblichen französischen Ouvertüre, sondern mit einer Fülle von „Agréments“, den typisch französischen Verzierungen, die den Beginn dieses Satzes prägen. Schleifer, Triller und „Ports de voix“ paaren sich mit punktierten Rhythmen zu einem Thema, das imitatorisch durch die Stimmen geführt wird. Bach entlehnte dieses Thema einer Streichersonate des von ihm sehr bewunderten François Couperin, der Sonate “La Sultane”. Die Fuge in der Mitte des Satzes ist dagegen polnisch geprägt mit ihrem kraftvollen Synkopenthema. Bachs höchster Dienstherr war der sächsische Kurfürst Friedrich August II., der Sohn Augusts des Starken, der als König August III. auch über Polen herrschte. Dadurch gelangte polnische Musik nach Dresden, nicht nur in Form von Polonaisen und Mazurken, sondern auch als „polnisch-hanakischer Stil“ in der Konzertmusik. Mit dem polnisch anmutenden Fugenthema im ersten Satz der h-Moll-Suite erinnerte Bach seine Leipziger Zuhörer daran, dass er 1736 zum „churfürstlich sächsischen und königlich polnischen Hofcompositeur“ ernannt worden war. In dieser Position musste auch ein Bach im polnischen Stil schreiben. Die kunstvolle Durchführung dieses Fugenthemas in den vierstimmigen Tuttiteilen wird von virtuosen Flötensoli unterbrochen. Dabei ist das Solothema der Flöte nichts anderes als eine Variante des Fugenthemas, begleitet nur von den Geigen ohne Continuo, was einen besonders zarten Klang ergibt. Nach der Fuge kehrt der langsame Teil wieder, allerdings nicht im geraden Takt wie zu Beginn, sondern im Dreiertakt, mit einer Variante des Couperinschen Themas, die noch stärker verziert. Bach wollte hier offenbar französischer sein als die Franzosen.
Auf diesen pathetischen, langen und komplexen Eingangssatz folgen sechs Tänze, die äußerlich viel einfacher und „annehmlicher“ scheinen, als sie in Wahrheit sind: Jeder von ihnen wartet mit typisch Bachschen Komplikationen in der Satztechnik auf. So wird das melancholische Thema des Rondeau mit seinen Seufzermotiven in zwei Episoden kunstvoll durchgeführt, was aber so zart klingt, dass man es kaum wahrnimmt. Auch den strengen Kanon in der Sarabande könnte man leicht überhören: Flöte und erste Geige gehen mit einem sanften Thema voran, der Bass folgt im Taktabstand im Kanon der Unterquint. Die beiden Mittelstimmen reichern den Satz zusätzlich mit Vorhalts- und Durchgangsdissonanzen an, was angesichts des komplexen Themas mit seinen vielen Überbindungen wohl nur einem Bach gelingen konnte.
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Bachs Orchestersuite Nr 2, Badinerie [Symbolfoto] |
Auch das Menuett mutet schlichter an, als es ist. Der anmutige Aufschwung des ersten Taktes wird sogleich vom Bass aufgegriffen und immer wieder zwischen die zarten Wendungen der Oberstimme eingestreut. Es folgt das krönende Finale, die berühmte Badinerie mit ihrem virtuosen Flötensolo über der dichten Streicherbegleitung. Titel wie Badinage oder Badine konnte Bach bei seinen französischen Zeitgenossen finden, die damit freilich Tänze sehr unterschiedlichen Charakters bezeichneten. Bachs Satz erinnert am ehesten an die Badine aus dem ersten Concert für Flöte und Continuo von Montéclair, gedruckt 1724. In beiden Fällen hat man es mit einem virtuosen Satz im Zweiertakt zu tun, wirbelnd im Thema, virtuos im Flötensolo. Der Franzose Montéclair wollte damit seine ungehobelten Landsleute aus der Auvergne charakterisieren. Wen Bach wohl im Sinn hatte, als er seine Badinerie komponierte?
Quelle: Kammermusikführer von Villa Musica (Rheinland-Pfalz)
Track 8: Orchestersuite Nr.2 in h-moll, 1. Ouvertüre
TRACKLIST
Johann Sebastian Bach
Orchestersuiten (Ouvertüren) Nr. 1 - 4
Orchestersuite (Ouvertüre) Nr.1 C-dur BWV 1066
[01] 1. Ouvertüre 5:55
[02] 2. Courante 2:08
[03] 3. Gavotte I/II 2:15
[04] 4. Forlane 1:35
[05] 5. Menuett I/II 2:20
[06] 6. Bourrée I/II 2:40
[07] 7. Passepied I/II 2:24
Orchestersuite (Ouvertüre) Nr.2 h-moll BWV 1067
[08] 1. Ouvertüre 7:28
[09] 2. Rondeau 1:39
[10] 3. Sarabande 3:03
[11] 4. Bourrée I/II 1:53
[12] 5. Polonaise/Double 2:58
[13] 6. Menuett / 2:42
7. Badinerie
Orchestersuite (Ouvertüre) Nr.3 D-dur BWV 1068
[14] 1. Ouvertüre 6:38
[15] 2. Air 5:10
[16] 3. Gavotte I/II 3:47
[17] 4. Bourrée / 4:13
5. Gigue
Orchestersuite (Ouvertüre) Nr.4 D-dur BWV 1069
[18] 1. Ouvertüre 7:23
[19] 2. Bourrée I/II 2:45
[20] 3. Gavotte 2:00
[21] 4. Menuett I/II 2:59
[22] 5. Réjouissance 2:47
Gesamtspielzeit: 78:42
William Bennett, Flöte [08]-[13]
Thurston Dart, Cembalo
Academy of St Martin in the Fields
Sir Neville Marriner
® 1971
Track 13: Orchestersuite Nr.2 in h-moll, 6. Menuett - 7. Badinerie
Giacomo Leopardi | Helmut Endrulat |
Il tramonto della luna | Monduntergang |
Quale in notte solinga, | Wie in einsamer Nacht |
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Giacomo Leopardi (1798-1837) |
Giacomo Leopardi ist einer der wichtigsten italienischen Dichter des 19. Jahrhunderts. Bereits im Alter von 16 Jahren besaß er eine außerordentliche Bildung, er konnte Latein und Griechisch, Französisch, Englisch, Spanisch und Hebräisch. Leopardis kurzes Leben – er wurde nur 39 Jahren als – war charakterisiert von ständiger Geldnot, dem Fehlen einer erfüllten Beziehung und einer schwachen Gesundheit. Das gab seinem Werk eine melancholische Grundstimmung. Aber aus Leopardis Werken spricht so viel Leben, Gefühl, Witz und Geist, dass Leopardis Melancholie dem Leser alles andere als trist erscheint.
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Die Suche nach "Mond" in der KMK fand ihn in einer "Verklärten Nacht": Zwei Menschen gehn durch kahlen, kalten Hain; der Mond läuft mit, sie schaun hinein.
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